Anfang August ist Katze Fiona bei uns eingezogen. Und weil hier bereits zwei Katzen lebten, musste sich unser Neuzugang nicht nur in die neue Umgebung eingewöhnen, sondern auch an die vorhandenen Katzen Janis und Lara. Da unsere letzte Katzen-Zusammenführung vor sechs Jahren alles andere als katzengerecht ablief, wollte ich dieses Mal andere Wege gehen. Denn mit neuem Wissen kommt auch eine neue Sichtweise.
Dementsprechend habe ich schon vor Fionas Einzug erste Vorbereitungen getroffen und meine Katzen durch die Wochen ihrer Zusammenführung begleitet. Heute möchte ich euch davon erzählen.
Nur weil es bisher „gut ging“, war es für die Katzen noch lange nicht gut
Für meine ersten Zusammenführungen galt: Ich habe nicht darauf geachtet, ob Charaktereigenschaften, Bedürfnisse und Vorlieben der Katzen zusammen passen – sobald ich mir eine Katze ausgesucht hatte, mussten alle anderen gezwungenermaßen mit ihr zurechtkommen. Im Rückblick ganz furchtbar und das hat für meine Katzen auch teilweise viel Leid bedeutet!
Unsere bisherigen Zusammenführungen liefen folgendermaßen ab: Transportbox auf und alle Katzen beim Erkunden beobachten. Ab und zu mal dazwischengehen, wenn sie sich zu sehr auf die Pelle gerückt sind oder gefaucht haben – und sonst nichts. Auf diese Weise haben sich meine Katzen aneinander gewöhnt, es gab kein Blutvergießen, keine großen Streitigkeiten und keine Kämpfe.
Damals dachte ich „das lief gut„. Heute weiß ich, ich habe einfach nur großes Glück gehabt – katzengerecht oder fair war diese Art des halb-begleiteten „Zusammenwürfelns“ nicht. Denn meine Katzen hatten durch diese unsanfte Vorgehensweise viel unnötigen Stress. Ganz zu schweigen von den teilweise wirklich schlecht ausgesuchten Katzenkonstellationen.
Mein Buchtipp zum Thema „Katzen-Zusammenführungen“
„Katzenzusammenführung mit Herz und Verstand“
Autorin: Christine Hauschild
ISBN-13: 978-3735740748
erhältlich zum Beispiel auf Amazon.de
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Mehr Wissen = Andere Sichtweise = andere Vorgehensweise
Mit sechs Jahren mehr Wissen auf dem Buckel wollte ich da ganz bewusst ganz anders herangehen. Weniger Stress und Druck für die Katzen, weniger auf mein Glück und den Zufall vertrauen. Ich wollte durchdachter vorgehen und diesmal alles besser machen. Ich hatte zwischenzeitlich zusätzliche Lektüre zum Thema gelesen und auch entsprechende Fortbildungen gemacht. Zusätzliches Wissen über Lernverhalten, Stressreduzierung, Training und Ressourcen-Management hatte ich auch.
Das alles zusammen kam meinen Katzen ungemein zugute und ich konnte daraus unsere ganz eigene Strategie zur Zusammenführung „basteln“. Begonnen habe ich dabei bei der bewussten Wahl von „Katze drei“ – bewusst passend zu meinen bereits vorhandenen Katzen, ihren Charaktereigenschaften und Bedürfnissen ausgewählt. Denn das ist in meinen Augen ein ungeheuer wichtiger – wenn nicht sogar der wichtigste – Faktor für ein gutes Zusammenleben im Mehrkatzenhaushalt!
Unsere Ausgangslage: Drei sehr soziale, unbedarfte Katzen
Unsere Katze Nummer drei – Fiona – hat sechs Wochen lang mit anderen Katzen auf einer Pflegestelle gelebt. Pflegemama Vanessa hat nicht nur ein tolles Auge für Katzenverhalten, sie hat mich auch ständig auf dem Laufenden gehalten und mir alle ihre Beobachtungen mitgeteilt. Dafür bin ich außerordentlich dankbar, denn ich konnte so gut abschätzen, dass alle drei Katzendamen sich extrem ähnlich sind:
Alle drei sind sehr sozial, genießen die Nähe anderer Katzen und beherrschen die (nonverbale) Katzen-Kommunikation. Sie spielen nicht raufig, geben anderen Mitkatzen bei Bedarf Raum und gehen höflich miteinander um. Vor allem aber gehen sie recht unbekümmert bis distanzlos mit anderen Lebewesen – Katzen wie Menschen – um.
Da Katze Janis selbstbewusst und gelassen ist, ist sie meiner kleinen, eher unsicheren Lara ein Fels in der Brandung. Aus dem Grund war mein Plan, zuerst Janis Kontakt mit Fiona aufnehmen zu lassen. Lara sollte Fiona erst danach kennenlernen – und zwar in Janis Beisein. So konnte sie ihr Sicherheit geben.
Vorbereitungen fangen schon vor dem Einzug an
Die ersten wichtigen Vorbereitungen zu unserer Zusammenführung haben bereits die Tierfreunde Münster e.V. und Pflegemama Vanessa getroffen: Kastration, Impfung, Entwurmung, Tests auf verschiedene, ansteckende Krankheiten ( z.B. FelV, FiV, Giardien usw.). Das war mir enorm wichtig.
Generell gilt für unsere gesamte Wohnung, dass alle Ressourcen (Näpfe, Rückzugsorte, Schlafplätze etc.) in größerer Anzahl vorhanden sind als sie gebraucht werden. Und zwar an unterschiedlichen Plätzen. Somit ist sichergestellt, dass meine Katzen sich aus dem Weg gehen können, wenn sie es wollen, Niemand wichtige Ressourcen blocken kann und das Risiko auf ernsthafte Streitigkeiten verringert ist.
Zu Fionas Einzug hatte mein Partner noch eine Woche Urlaub. So konnten wir mit zwei Menschen gleichzeitig für alle Katzen da sein. Es ist schließlich schwierig, mit nur einer Person gleichzeitig auf zwei Seiten der Gittertür zu sein 😉 Das Training und die Beobachtungen während der Zusammenführung allein zu managen ist zwar möglich, aber wir wollten es uns schlicht erleichtern.
Unsere Helfer: Gittertür, Sichtschutz und Pheromone
Apropos Gittertür: Auch, wenn alle drei Katzen sehr sozial sind, wollte ich nicht ohne Gittertür arbeiten. Denn sie gibt allen Katzen genug Sicherheit und Rückzugsmöglichkeiten – und zwar ohne dass ich 24 Stunden am Tag hätte danebenstehen oder die Türe ganz schließen müssen. Für mich war klar: Auch, wenn wir die Tür nur zwei Stunden gebraucht hätten, weil ein Wunder geschieht, hätten wir diese zwei Stunden gebraucht. Niemand kann garantieren, wie (schnell) sich eine Zusammenführung entwickelt. Es ist allen Katzen gegenüber schlicht fairer.
Ich habe unsere Gittertür aus Holzrahmen und drahtverstärktem Katzennetz selbst gebaut. Sie ist stabil und deckt die gesamte Türöffnung ab. Eine Woche vor Fionas Einzug bekam sie ihren endgültigen Platz: Ich habe sie in den Türrahmen des Arbeitszimmers eingehängt. Denn das Arbeitszimmer sollte Fionas „Ankommzimmer“ sein. Es ist groß genug, sicher und hell. Katzenklo, Kratzstamm und mehrere gemütliche Plätze waren bereits vorhanden, Futter- und Wassernapf waren schnell dazu gestellt.
In den Tagen bis zum Einzug habe ich die Gittertür immer mal wieder geschlossen und meinen vorhandenen Katzen damit Gelegenheit gegeben, sich langsam daran zu gewöhnen. Sie erst bei Fionas Einzug zu schließen und damit schlagartig gleich mehrere „Neuerungen“ einzuführen, wäre Janis und Lara gegenüber nicht fair gewesen.
Stabiler Karton diente als Sichtschutz an der Gittertür: In den ersten Tagen hat er das untere Drittel der Gittertür abgedeckt. So wussten zwar alle Katzen, was auf der anderen Seite ist, konnten aber gleichzeitig relativ unbeobachtet sein, wenn sie das wollten. Um Sichtkontakt herzustellen, mussten sie ganz bewusst auf Möbel klettern. „Starrduelle“ hätten so jederzeit von jeder Seite aus abgebrochen werden können.
Außerdem habe ich zusätzlich einige Tage vorher noch einen Pheromon-Zerstäuber (z.B. Feliway Friends – erhältlich beispielweise über Zooplus, Fressnapf oder Amazon) für die Steckdose besorgt und eingesteckt. Auch dieses Helferlein braucht Vorlaufzeit.
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Ein wenig Vorab-Recherche zeigte, dass der CatComfort Zerstäuber-Flacon der Marke beaphar in die Steckdosenhalterung der FeliWay-Produkte passt. Beide Produkte haben identische Zusammensetzung (Analog des F3-Pheromons). Die Sicherheitshinweise beider Produkte raten jedoch von einer solchen Verwendung ab.
Fionas Ankunft: zur Ruhe kommen lassen
Dann war es soweit: am 03.08 kam Fiona zu uns. In den ersten Stunden haben wir viel Zeit auf dem Boden mit ihr verbracht und ihr beim Erkunden zugesehen. Bereits nach wenigen Stunden hatte sie sich eingewöhnt: gefressen, auf die Katzentoilette, kratzen und dann eines der Katzenkörbchen erobert und erst einmal ein Nickerchen machen.
Die erste Nacht dagegen war schwierig. Denn sie war einsam und wollte nicht allein im Arbeitszimmer schlafen. Also verbrachte sie ihre erste Nacht im neuen Zuhause zusammen mit meinem Partner auf dem Sofa im Wohnzimmer – mit geschlossener Tür. Dort beruhigte sie sich schnell und kam nach kurzer Zeit zur Ruhe. Ich habe währenddessen mit Janis und Lara die Nacht im Bett verbracht.
Am Morgen kam Fiona zurück ins Arbeitszimmer. Von nun an haben wir den Alltag mit zwei getrennten Katzenbereichen gestaltet: Füttern, Spielen und Kuscheln gleichzeitiig auf beiden Seiten der Türe. Denn alle drei Katzen hatten trotz aller Aufregung natürlich weiterhin Bedürfnisse und brauchten unsere Nähe.
Alle drei Katzen waren natürlich neugierig, wer sie auf der jeweils anderen Seite der Gittertür mit Sichtschutz erwartet. Aber wirklich sehen durften sie sich erst in den kommenden Tagen – und zunächst nur begleitet durch uns Menschen.
In sicherer Umgebung zeitweise den Sichtschutz lüften
Es war klar, dass Fiona das Arbeitszimmer als sicheren Ort empfand und dort auch zur Ruhe kommen konnte. Auch meine beiden anderen Katzen kannten „ihren Bereich“ in- und auswendig und waren schon länger dort zuhause. Das war mir wichtig, denn eine Zusammenführung zu beginnen, ohne dass sich die Tiere in ihrer Umgebung sicher fühlen, ist kein guter Ausgangspunkt..
Nach zwei oder drei Tagen haben wir den Sichtschutz in der Gittertür zum ersten Mal für ein paar Minuten gelüftet. Ich saß dabei auf Janis und Laras Seite, mein Partner auf Fionas Seite. Wir haben einerseits darauf geachtet, dass Niemand zu nah an die Gittertür läuft, aber andererseits auch ganz bewusst die Reaktionen der Katzen beobachtet. Und dabei natürlich mit dem Positiv-Training begonnen. Alle Katzen sollten den Anblick und die Anwesenheit der jeweils „anderen Seite“ positiv verknüpfen: durch Leckerchen, Streicheleinheiten, liebe Worte etc.
Und schon beim ersten Sichtschutz-Lüften war klar: Lara war etwas skeptisch, aber neugierig. Und Janis? Naja, die wollte am liebsten sofort lieb „Hallo“ sagen. Aber das haben wir erst einmal unterbunden, indem wir sie von der Tür ferngehalten haben. Wir wollten schließlich Fiona nicht überfordern und keine negative Begegnung heraufbeschwören. Es gab von keiner Seite der Tür aus aufgebrachte, negative Reaktionen bei etwa einem Meter Abstand: kein Aufeinander-Losstürmen, kein Buckel, kein Fauchen, kein Starrduell.
Im Gegenteil: alle Katzen ließen sich wunderbar durch Worte ablenken und schnurrten sogar, wenn sie Zuwendung erhalten hatten. Alle drei konnten von Anfang an Leckerchen annehmen. Eine ziemlich gute Vorraussetzung also.
„Zusammen fressen“ ist kein Gradmesser, wie gut sich Katzen verstehen! – Locken ist kontraproduktiv!
Dass Katzen nebeneinander fressen oder Leckerchen annehmen, bedeutet nicht, dass sie sich gut verstehen. Denn wenn die Alternative (Ver-)Hungern ist, frisst man auch neben seinem größten Erzfeind. Und vergisst für ein paar Augenblicke, dass man sich eigentlich nicht ausstehen kann oder mehr Abstand braucht. Sobald der erste große Hunger oder die blinde Leckerchen-Gier aber gesättigt ist, ist das Sicherheitsbedürfnis wieder da – und damit oft heftige Streitigkeiten.
Wir sollten unsere Katzen also weder mit Futter oder Leckerchen zueinander locken, noch sie dazu zwingen, nebeneinander zu fressen. Das bedeutet, dass Fressplätze genügend Abstand zueinander haben und wir unsere Katzen gleichzeitig füttern sollten. Es ist ungeheuer wichtig, unseren Katzen die bewusste Wahl zu lassen, wen sie – auch beim Fressen – nah an sich heranlassen wollen und wen nicht.
Positiv-Training vor dem ersten Öffnen der Gittertür
So haben wir angefangen, alle neutralen bis positiven Reaktionen zu belohnen: beim gelassen sitzen bleiben, beim Nicht-Starren und wegschauen, beim entspannten Liegen im Raum oder nahe der Gittertür. Diese Sichtschutz-weg- und Trainieren-Momente haben wir in den ersten Tagen etwa drei bis vier Mal am Tag gemacht. Dazwischen haben wir den Sichtschutz an der Gittertür wieder „heruntergelassen“. So hatten alle Katzen Zeit, runterzukommen und das Erlebte zu verarbeiten. Außerdem hatten sie so in der Zwischenzeit auch Ruhe vor der „Gegenseite“.
Beobachten war in den Trainingsmomenten das wichtigste, denn wir wollten vermeiden, dass Situationen entstehen, in denen sich eine der Katzen unwohl fühlt. Aus dem Grund haben wir ganz ganz bewusst darauf verzichtet, die Katzen mit Leckerchen, Futter oder Worten in die Nähe der Gittertür zu locken. Sie sollten ganz alleine und ganz bewusst entscheiden, wann sie dafür bereit sind.
Und das war Janis wie bereits geschrieben sehr schnell 😉 Schon nach wenigen Trainingsphasen schaffte sie es, sich zur Gittertür zu mogeln. Mit langsamen, aber zielstrebigen Schritten und hocherhobenem freundlichen Schwanz ging sie auf Fiona zu. Durch die Gittertür haben sich beide berochen – Fiona war aber von ihrem plötzlichen Mut etwas überfordert und hat kurz gefaucht. Janis schaute mich verwirrt an und hat sich dann etwas verdattert wieder zurückgezogen. So viel zum Thema „distanzlos“ *seufz*
Diese Situation hätte auch anders ausgehen können – in Geschlage, Gekreische und Kampf enden können! Gut, dass Janis so gelassen reagiert und sich nicht vom Fauchen beeindrucken lassen – oder gar defensiv reagiert – hat!
„Nicht eingreifen, solange kein Blut fließt“ – ein fataler Rat!
Dieser fatale Ratschlag ist grundfalsch und führt zu viel unnötigem Leid. Denn wer nach diesem Leitsatz lebt, ignoriert viele kleine, aber wichtige Anzeichen für Ungleichgewichte in der Katzengruppe. mehr lesen
Die Katzen geben das Timing vor – eine „zu langsame Zusammenführung“ gibt es nicht!
Irgendwann waren wir dann soweit, dass alle drei Katzen in den Trainingsphasen fast völlig unbeeindruckt waren, sich vollständig entspannt in der Nähe der Gittertür rumlümmeln konnten. Janis und Fiona hatten sich bereits mehrfach freundliche Begrüßungs-Nasenküsschen gegeben, Lara saß mit zehn Zentimeter Abstand völlig entspannt mit dem Rücken zu Gittertür und der daran liegenden Fiona.
Zwischenzeitlich haben wir ganz bewusst Spielsessions nur für eine Seite der Gittertür veranstaltet: die Katze(n) auf der anderen Seite sollten die „Gegenseite“ auch bei wilden Bewegungen, bei wildem Spiel kennenlernen und sich daran gewöhnen. Einspeichern, dass das völlig ungefährlich ist. Lara war zunächst sehr beeindruckt, ließ sich aber gut beruhigen. Janis und Fiona wollten am liebsten mit „der anderen Seite“ mitspielen – hier gab es keinerlei Vorbehalte.
Und dann entwickelte sich etwas, das mir als Mensch ehrlich gesagt gar nicht in den Kram und ins Konzept gepasst hat. Aber ich bin der Überzeugung, allein die Katzen bestimmen das Tempo der Zusammenführung. Fast immer sind es die Menschen, die dabei zu ungeduldig sind. Das wollte ich für uns nicht. Bei uns aber waren es die Katzen, die deutlich zeigten: der Sichtschutz muss ganz weg!
Denn nach so einigen Trainingssessions fing Fiona an einsam zu miauen, sobald wir den Sichtschutz wieder heruntergelassen hatten. Und auch Lara zeigte deutliches Unbehagen, wenn sie Fiona nicht mehr sehen konnte. Sie lief an der Gittertür auf und ab, ließ sich kaum noch beruhigen. Mir war klar: der Zeitpunkt zum endgültigen Entfernen des Sichtschutzes war gekommen, auch wenn ich ihn gerne noch ein paar Tage belassen hätte. Aber den Sichtschutz jetzt entgegen der offensichtlichen Wünsche meiner Katzen zu belassen, würde die Zusammenführung wohl eher negativ statt positiv beeinflussen.
Also habe ich meinen Katzen, ihren Reaktionen und Wünschen vertraut. Und das war rückblickend betrachtet die richtige Entscheidung. Auch, wenn ich natürlich gezweifelt habe.
Begleitetes Zusammenkommen und wieder-trennen
Nachdem der Sichtschutz nun endgültig gefallen war, ging es aber natürlich mit den begleiteten Begegnungen und dem positiv-Training weiter. Auch hier haben die Katzen irgendwann signalisiert: wir möchten jetzt mehr kennenlernen. Denn die Kontakte durch die Gittertür wurden zahlreicher, immer enger und vertrauter.
Und so haben wir Menschen irgendwann die Gittertür geöffnet. Und den Atem angehalten 😀 Wie erwartet hatten sich Janis und Fiona schon auf Abstand angefreundet und sich jetzt gegenseitig ohne „Schutz“ zu begegnen war kein Problem. Allerdings hatte Lara nicht mit Fionas Distanzlosigkeit gerechnet: die erste völlig unbedarfte Kontaktaufnahme endete in einem Faucher und einem Pfotenhieb. Da hat Fiona wohl gelernt: einer Lara rückt man besser nicht so auf die Pelle wie einer Janis 😉 Dramatischer wurde es aber nicht.
Auch diese Begegnungen ohne Gittertür haben wir anfangs immer nur zeitweise gestaltet. Nachts musste Fiona zurück ins Arbeitszimmer und dort schlafen. Denn so hundertprozentig „grün“ war es zwischen ihr und Lara immer noch nicht. Und ich wollte nicht, dass sich nachts in einem unbeobachteten Moment ein Streit anbahnt, den ich nicht verhindern oder auflösen konnte.
Wir haben bei diesen Begegnungen – und auch schon vorher – sehr darauf geachtet, dass aus Anschauen nicht Starren wird, dass Rumliegen kein Durchgang-blocken ist. Solche Situationen haben wir mit Ablenkung, Ansprechen und „zufällig hindurchlaufen“ aufgelöst. Denn zu Anfängen von Streitigkeiten und Mobbing wollten wir es gar nicht erst kommen lassen. Dazu mussten wir viel Beobachten, Situationen und Körpersprache analysieren.
Trennen bei Streitigkeiten unter den Katzen? Ja, unbedingt!
Auch im besten Katzenhaushalt kommen Streitigkeiten ab und an vor. Das ist normal und nicht schlimm, sofern der Ausweg aus diesen Streitigkeiten für alle Beteiligten positiv oder wenigstens neutral ausfällt. Aber genau das ist in vielen Fällen nicht der Fall, wenn wir unsere Katzen dabei sich selbst überlassen! mehr lesen
Die erste Nacht ohne Gittertür
So lief Fiona schon bald tagsüber normal im Alltag mit. Nach dem letzten Spiel, der letzten großen Mahlzeit haben wir sie nachts mit gefülltem Fummelkarton „ins Bett geschickt“. Das klappte auch sehr gut. Es gab erste Spielaufforderungen von Janis und Lara an Fiona und umgekehrt. Auch Lara gewöhnte sich immer mehr daran, dass jetzt noch „eine Kurzhaar-Janis“ hier rumwuselte und Aneinander-Vorbeigehen mit etwa zehn Zentimeter Abstand waren schnell kein Problem mehr.
Nur direkt aufeinander zugehen war die ersten Tage heikel – mal völlig unproblematisch, mal Anlass für kurzes Fauchen und einen Pfotenhieb. Fiona lernte schnell daraus und beachtete das ab da. Man saß sich quasi gegenseitig auf dem Schwanz, aber ins Gesicht schauen ist aus Höflichkeitsgründen etwas zu viel gewesen. Das mussten beide erst einmal untereinander kommunizieren.
Und genau diese harmlosen „Katzengespräche“ waren mir wichtig: alle konnten unter Aufsicht zeigen, was in Ordnung ist und was zu viel. Schnell wussten das alle voneinander und respektierten das auch gegenseitig. Und genau diesen Punkt wollte ich für meine Katzen erreichen, bevor sie auch nachts zusammen leben durften.
Auch nach dem Öffnen der Gittertür geht die Zusammenführung weiter
Auch nach dem Öffnen der Gittertür geht unsere Gewöhnung aneinander und die Zusammenführung zwischen den Katzen weiter. Nach mittlerweile acht Wochen kennt Fiona unseren Alltag, hat sich eingelebt und es gibt erste Rituale. Vieles muss sie aber dennoch weiterhin kennenlernen. Auch die Begegnungen zwischen Lara und ihr sind immer noch respektvoll-höflich. Sie tasten sich immer näher aneinander heran und es gibt mittlerweile zwar keine Faucher mehr aber durchaus ganz vereinzelte Pfotenhiebe.
Das aber nur in Momenten, in denen eine von beiden auf ihre bekannt-tolpatische Art der jeweils anderen unerwartet plötzlich zu nahe kommt – zum Beispiel beim auf-den-Stuhl-springen auf dem die andere bereits sitzt. Aber selbst da reicht mittlerweile oft eine Millisenkunde und der höfliche Abgang.
Zwischen Fiona und Janis gab es in den ganzen acht Wochen genau zwei Faucher: den ersten beim ersten Nasenküsschen an der Gittertür und den zweiten, weil Fiona plötzlich in den Kleiderschrank sprang, in dem Janis bereits saß. Janis hat sich schlicht erschrocken, gefaucht und war davon sichtlich selbst verwundert 😉
Alles in allem ist diese Zusammenführung wirklich einfach gewesen und sehr positiv verlaufen. Die Tatsache, dass alle drei Katzen sehr sozial sind, hat mir das Ganze enorm vereinfacht. Auch nach über 20 Jahren Katzenerfahrung und elf Jahren intensiver Wissenserweiterung bin ich natürlich nicht perfekt – und gerade Laras ambivalentes Verhalten hat mich so manches Mal ratlos gemacht. Denn auch bei allen guten Vorraussetzungen und dem besten Willen gibt es nie eine Garantie, dass sich Katzen verstehen.
Und unter „die Katzen verstehen sich gut“ wollte ich nie wieder in einem Mehrkatzenhaushalt leben. Ich wollte keine wiederkehrenden Streitigkeiten, kein Nebeneinanderher-Leben oder nur-dulden mehr.
Aus der Sicht eines Katzenlaien: Sorgen und Zweifel meines Partners
Mein Partner liebt unsere Katzen sehr. Und Lara ganz besonders: sie ist sein Liebling. Das kann ich schreiben ohne dass es irgendwem wehtut, peinlich ist oder irgendwelche negativen Gefühle mit sich bringt. Denn auch Janis – und heute Fiona – betüddelt er liebevoll und es fehlt ihnen bei ihm an nichts. Im Gegenteil: sie haben ihn vollkommen um die Pfoten gewickelt und dürfen bei ihm oft mehr *seufz* als bei mir.
So sehr er alle unseren Katzen liebt und so viel er mittlerweile durch mich gelernt hat – er ist nicht tief drin im Verhaltensthema. Und auch das schreibe ich ohne negativen Unterton: Denn so tief wie er im Katzenthema allgemein ist, sind es manche Menschen die sich bewusst für die Katzenhaltung entscheiden haben, nicht. Das Verhalten allerdings mit seinen subtilen Nuancen gibt ihm oft noch Rätsel auf, besonders in solchen Ausnahmesituationen wie der Zusammenführung. Und das ist auch völlig in Ordnung. Einerseits weil er gerne dazu lernt – andererseits, weil er mir da voll vertraut. Es hat aber natürlich seine Sicht auf unsere Zusammenführung geprägt.
Denn Fauchen und Pfotenhiebe hat er anfangs als eine ziemlich dramatische Reaktion interpretiert. Da Lara ja ohnehin recht unsicher ist, hat er befürchtet, dass die ganze Situation für sie zu viel sein könnte. Dass es sie zu sehr einschüchtert, stresst und die Beziehung zu Fiona schon von Anfang an zum Scheitern verturteilt sei. Das ist natürlich besonders schwer zu ertragen, wenn man das über seinen kleinen sensiblen Liebling denkt. Öfter kam es vor, dass er sehr auffällig hingeschaut und aufgeregt reagiert hat, wenn Lara und Fiona sich begegnet sind – dabei hat ihre Körperhaltung Entspannung gezeigt. Für die Katzen ist das natürlich nicht so klasse, darum haben wir darüber geredet und es ist sehr viel besser geworden 😉
Mit ihm darüber zu sprechen, dass Fauchen und Pfotenhiebe in dieser harmlosen Ausprägung nur normale Kommunikation sind und nichts anderes sagen als „Halt, hier nicht weiter!“ hat nur bedingt geholfen. Also nur für den rationalen Teil in ihm. Wir alle aber haben da auch noch den emotionalen Teil in uns, der nicht immer auf den Verstand hört 😉 So ist er auch heute – nach acht Wochen – noch ein wenig skeptisch. Trotzdem hat er mich im positiv-Training unterstützt, die erste Nacht auf seinen Vorschlag hin mit Fiona im Wohnzimmer verbracht und sich immer eingebracht, wenn ich eine helfende Hand brauchte.
Für ihn wäre der Zeitpunkt gekommen die Bauchschmerzen zu vergessen, wenn Lara und Fiona gemeinsam kuscheln und sich putzen. Dass das extrem hohe Erwartungen sind und er die Beziehung zwischen Janis und Lara keineswegs als Messlatte nehmen sollte, ist ihm übrigens bewusst 😉 Trotzdem würde er sich das wünschen, für Lara und natürlich auch Fiona.
Für mich war es höchst interessant, seine Sichtweise zu erfahren. Wir hatten einige Gespräche darüber und er wollte immer mal wieder wissen, warum wir Situationen wie auflösen – oder warum eben nicht. Solche Gespräche helfen sowohl ihm beim Verständnis als auch mir: Schließlich leben wir alle gemeinsam und müssen uns alle wohlfühlen. Auch seine Fragen (z.B. „Unterbricht das immer-wieder-trennen nicht die Zusammenführung?„) waren sehr interessant, um meine Sichtweise mal wieder auf „Anfängerniveau“ zu justieren.
Verhaltens- & Ernährungsberaterin für Katzen, Bloggerin
Miriam steht für die artgerechte Katzenhaltung. Mit ihrem Herzensprojekt katzen-fieber.de sensibilisiert sie seit über 13 Jahren für kätzische Bedürfnisse. Mit Online-Magazin, Vorträgen, Webinaren und Büchern vermittelt sie einfach verständliches Wissen. Individuelle Beratung rundet das Konzept ab. Für ein harmonisches Zusammenleben zwischen Mensch und Katze!
Danke für diesen super interessanten Beitrag. Ich bin 2021 recht überraschend zu drei Katzen gekommen, Geschwister, die sich angeblich super verstanden haben. Leider auch Rassekatzen mit gravierenden gesundheitlichen Baustellen. Das die Katze und der kleine Kater sich nicht so viel zu sagen hatten, während die Katze und der Große trotz gelegentlichem Streit ein Herz und eine Seele waren, war mir klar. Wie sehr der Kleine unter der Anwesenheit der Katze gelitten hat, habe ich erst gemerkt, als sie nach einem Jahr an Krebs gestorben ist und meine Jungs zu zweit waren. Während der Große sichtlich getrauert hat, ist der Kleine regelrecht aufgeblüht. Leider habe ich im Mai auch den kleinen Kater verloren und mein Großer, den ich für den Sozialsten der drei halte ist, seitdem allein. Und ich denke sehr viel darüber nach, ob eine zweite Katze ihn eher froh machen, oder eher stressen würde…
Hallo du!
Die Frage kann dir natürlich aus der Ferne ohne weitere Infos Niemand wirklich beantworten. Ich denke, dass dein Kater es dir deutlich zeigt, was er braucht. Was meiner Erfahrung nach besonders wichtig ist, ist dass du einen passenden Partner findest, falls du dich für einen Versuch entscheidest.
Alles Gute für euch!
Hallo Miriam,
wir sind ja aktuell auch bei der Katzenzusammenführung und beide sind sich noch nicht wohlgesonnen. Dabei ist es so, dass der Neuzugang den alteingesessenen Kater attackiert, der schon ganz ängstlich ist. Im Moment sind beide wieder getrennt. Aber meine Frage ist: wie reagiere ich, sollte es wieder zu Attacken kommen? Gehe ich dann dazwischen? Überall steht, man solle nicht eingreifen… Liebe Grüße
Hallo Sabrina!
Du solltest unbedingt dazwischengehen, wenn es sich um ernsthafte Attacken handelt! Und zwar am besten noch, bevor es dazu kommt. Der Rat, nicht einzuschreiten ist – platt gesagt – Blödsinn und macht für deine Katzen alles nur noch viel schlimmer. Ich hatte dazu auch mal einen Blogbericht geschrieben, in dem ich erkläre, warum: „Nicht eingreifen, solange kein Blut fließt” – ein fataler Rat!“ (ist allerdings auch im Blogartikel verlinkt). Dass dein älterer Kater jetzt schon eingeschüchtert ist, zeigt beispielhaft, was dieser Rat anrichten kann. Das Wichtigste ist, frühzeitig und besonnen dazwischen zu gehen, bevor es zu körperlichen Attacken kommt.
Da ich nicht weiß, wie genau die Attacken bei euch aussehen, wie sie ablaufen und wie schwerwiegend sie sind, kann ich dir leider keinen Rat geben, wie du jetzt am besten mit der Situation umgehst.