Recherche: Selenvergiftung durch Kokosöl?

Nicht wenige Rohfütterer und Katzenhalter sind aufgrund einer kursierenden Geschichte, in der ein Zusammenhang zwischen Kokosöl, Selenüberschuss und Kupfermangel hergestellt wird, verwirrt und ich wurde gebeten, eine kleine Recherche zum Thema zu starten. Hintergrund war ein über ein Blutbild festgestellter Selenüberschuss bei einer Katze und die Vermutung, Kokosöl könne dafür verantwortlich sein.

Kupfer: Wirkung, Wechselwirkungen und Bedarfswerte

Kupfer zählt zu den Spurenelementen und scheint wichtig für die Blut- und Knochenbildung, die Herzfunktion, die Pigmentierung des Fells, sowie für das Immunsystem [1,3,4,5,6]. Ebenso ist es ein wichtiger Bestandteil von Enyzmen[1,2,6,7]. Es wird im (Dünn-)Darm aufgenommen, in der Leber verstoffwechselt/gespeichert und über die Galle und letztlich den Kot ausgeschieden [1,2,4,6,7]. Kupfer ist vor allem in Innereien und besonders in Leber – von Wiederkäuern – zu finden [1,3,4,6], wobei die Bioverfügbarkeit für die Katze unterschiedlich stark ausgeprägt sein soll [1,2].

Ein Mangel an Kupfer soll unter Anderem zu Anämie (Blutarmut), Wachstumsstörungen, und Reproduktionsstörungen führen: Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten, Deformation der Föten, schlechte Spermaqualität [1,2,4,5,6]. Insgesamt scheint ein Mangel bei durchdachter Fütterung jedoch eher selten [4,5,6]. Solch ein Mangel kann jedoch beispielsweise (sekundär) durch eine Überversorgung mit Kalzium, Zink oder Eisen ausgelöst werden [1,2,3,6,7]. Auch Lebererkrankungen können einen Kupfermangel auslösen [3].

Ein Überschuss von Kupfer scheint in der Praxis eine eher untergeordnete Rolle zu spielen, da Kupfer relativ untoxisch scheint [1], er kann jedoch zu einem sekundären Mangel an Eisen und Zink führen [1]. Ein hochgradiger Kupfer-Überschuss führt zu Hepatitis (Leberentzündung) und einer erhöhten Aktivität der Leberenzyme [1,6].

Der Bedarf an Kupfer pro Kilogramm Körpergewicht der Katze wird mit 0,08-0,119mg angegeben [3,5,6]. Während der Fortpflanzung, der Trächtigkeit und dem Wachstum scheint der Bedarf an Kupfer höher zu liegen [1].

Selen: Wirkung, Wechselwirkungen und Bedarfswerte

Selen zählt zu den Spurenelementen, welches sich vor allem in Getreide, Fisch, Eiern, Leber und Fleisch findet [1] – die Gehalte und Bioverfügbarkeiten schwanken allerdings stark [2,6,9]. Es scheint wichtig für den Muskelstoffwechsel, das Immunsystem und vor allem den Stoffwechsel der Schilddrüse und von Jod [1,3,5] zu sein. Ebenso dient es – zusammen mit Vitamin E – als Antioxidanz [1,3,6,7]. Es wird im Zwölffingerdarm resorbiert und über Urin und Kot ausgeschieden [1,6,9].

Eine Mangelversorgung mit Selen soll beispielsweise zu Reproduktions- und Muskelwachstumsstörungen, sowie zu Immun- und Leistungsschwäche und geringerer Futteraufnahme führen [1,3,6]. Während der Trächtigkeit soll es vor allem zu Muskelschwäche bei den Neugeborenen führen [3,6]. Eine Häufigkeit eines Selenmangels wird insgesamt in der Literatur unterschiedlich angegeben: von „unwahrscheinlich“[4] bis „nicht selten“[6].

Eine Überversorgung mit Selen bei der Katze scheint insgesamt eher unwahrscheinlich bis unbekannt [2,4]. Vereinzelte Quellen sprechen allerdings von einer „geringen Dosierungsbreite“ [6] von Selen – was nichts anderes bedeutet, als dass bei der Dosierung Vorsicht geboten ist, damit man weder in eine Über- noch Mangelversorgung rutscht.

Der Bedarf der Katze an Selen wird mit 6-6,95µg pro Kilogramm Körpergewicht für eine erwachsene Katze angegeben [3,5,6].

Welche Aussagekraft hat ein Blutbild in so einem Fall?

Ein Blutbild gibt uns an, was möglicherweise mit der Katze nicht stimmt – das warum? wird damit in der Regel nicht beantwortet. Es ist wichtig, sich alle Blutwerte in Kombination anzuschauen, um Anhaltspunkte für Krankheitsursachen zu ermitteln: wie ein Puzzle ergibt es nur im Gesamtbild auch wirklich Sinn. Wird ein Mangel oder ein Überschuss festgestellt, so können vielfältige Gründe dafür verantwortlich sein. Angefangen bei einer falschen Fütterung und damit direkten Fehlversorgung der Katze, über indirekte Wechselwirkungen von verschiedenen Nährstoffen und Medikamenten bis hin zu Stoffwechsel- oder chronischen Erkrankungen der Katze.

Letztlich ist es zudem auch immer schwierig, einen Mangel oder Überschuss an Nährstoffen über das Blutbild erkennen zu können. Nicht wenige Nährstoffe werden im Körper der Katze gespeichert, so wird ein Mangel oder Überschuss erst dann auch im Blutbild sichtbar, wenn die Speicher komplett „voll“ oder aber „aufgebraucht“ sind. Somit ist erst eine langfristige Fehlversorgung nötig, damit sie im Blut entdeckt werden kann. Zudem können auch Fehlversorgungen mit anderen Nährstoffen Fehlversorgungen mit wiederrum anderen Nährstoffen auslösen. Ein Mangel eines bestimmten Nährstoffs kann also nur die Folge einer anderen Fehlversorgung sein: obwohl der Nährstoff durch die Nahrung bedarfsdeckend aufgenommen wird, kann er nicht entsprechend verstoffwechselt werden und zeigt einen Mangel.

Es ist also insgesamt schwierig, aufgrund eines Blutbilds auch wirklich Schlüsse zu ziehen, ob eine Fehlversorgung durch die Nahrung stattfindet und wie eventuelle Folgen therapiert werden können.

Die Kokosnuss als „Selenbombe“?

Die Kokosnuss gilt teilweise als eines der selenhaltgisten Lebensmittel. Es werden Gehalte von etwa 10-810µg Selen pro 100g Kokosnussfleisch angegeben[8,16]. Es ist jedoch schwierig, konkrete und verlässliche Zahlen zu finden, beispielsweise auch, weil der Selengehalt von Pflanzen auch von Anbaugebiet und Selengehalt des Bodens scheinbar stark beeinflusst wird [9].

Zu den genauen Selen-Gehalten von Kokosöl oder Kokosraspeln scheint es derzeit nur wenige genaue, einigermaßen verlässliche Zahlen zu geben. So wird der Selengehalt von 100g Kokosöl/-fett mit etwa 36µg angegeben [15]. Die Angaben zu 100g Kokosflocken schwanken – je nach Art der Verarbeitung – zwischen etwa 16,1-18,5µg[16]. Insgesamt gilt zu vermuten, dass sie aufgrund ihres Ausgangsrohstoffs Kokos ebenfalls in einem hohen Bereich liegen.

Also keine Kokosraspeln und kein Kokosöl (mehr) für die Katze?

Nicht wenige Katzenhalter verwenden Kokosöl (äußerlich angewendet) und Kokosflocken/-raspeln (innerlich angewendet) als natürliche Parasitenabwehr gegen Zecken und/oder Würmer. Die Wirkung von Kokosraspeln als Anti-Wurmmittel ist jedoch nicht wissenschaftlich nachgewiesen und wird von seriösen Ratgebern eher verneint. Werden Kokosraspeln als Ballaststoffe (max. 5% der Mahlzeit) eingesetzt, ist davon allein keine Überversorgung zu erwarten. Es scheint auf lange Sicht – je nach Dosierung der Flocken – eine Überversorgung mit Selen theoretisch jedoch dann möglich, wenn die Mahlzeiten der Katze an sich bereits bedarfsdeckend gestaltet sind.

Der Inhaltsstoff Dodecansäure des Kokosöls soll – äußerlich angewendet – abschreckend auf Zecken wirken, diese Wirkung scheint auch wissenschaftlich nachgewiesen [11,12,13]. Da beim Putzen nur geringe Mengen des Kokosöls aufgenommen werden, ist hier eine Selenüberversorgung eher nicht zu vermuten. Die innerliche Anwendung von Kokosöl in größeren Mengen kann jedoch auf lange Sicht eine solche Überversorgung und – wie auch bei anderen pflanzlichen Ölen – auch andere Probleme mit sich bringen [14].

Fazit?

Kokosöl auf einer Küchenwaage
16 g Kokosöl

Geht man von den höchsten veröffentlichten Zahlen aus, könnte bereits eine Menge von 0,7g Kokosnussfleisch, ca. 16g Kokosöl oder etwa 17-32g Kokosraspeln pro Kilogramm Körpergewicht den Bedarf der Katze (6µg) decken – größere Mengen können entsprechend über längere Zeit zu einer Überversorgung führen, vor allem dann, wenn die restlichen Mahlzeiten ebenfalls (bedarfsdeckend) Selen enthalten.

Von Kokosöl/-flocken allein wäre eine eher wenig praktikabel große Menge nötig, um die Katze mit Selen über zu versorgen.

Werden bedarfsdeckende Mahlzeiten verfüttert und zusätzlich andere Inhaltsstoffe verwendet, die einen hohen Gehalt an Selen haben, ist eine Überversorgung sehr wahrscheinlich. Zudem ist darauf zu achten, welche Wechselwirkungen insgesamt zwischen den Nährstoffen herrschen. Kupfermangel kann nicht nur durch eine zu geringe Zufuhr mit der Nahrung ausgelöst werden, sondern auch durch einen zu großen Gehalt an Kalzium, Zink und Eisen – die Kokosnuss spielt hier keine Rolle.

Quellen und weitere Infos

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8 Kommentare

  1. Hallo Miriam, vielen Dank für den ausführlichsten und quellenbasierten Artikel, den ich dazu finden konnte!
    Sind Kokosflocken als Ersatz für Futterzellulose (gegen Durchfall) denkbar?

    • Hallo Juli!
      Hmm.. Zellulose ist ja vor allem dafür da, das Futtervolumen zu vergrößern: als Magenfüller – oder eben große Mengen Feuchtigkeit aufzunehmen, wodurch der Durchfall dann weg zu sein scheint. Auch Kokosflocken saugen eine Menge Feuchtigkeit auf, aber ob dieser Effekt ähnlich stark wie bei Zellulose ist, kann ich dir nicht sagen. Ich persönlich würde jedenfalls beides nicht empfehlen, wenn es um Durchfall geht: beides „versteckt“ nur die Symptome, sinnvoller ist es aber, die Ursache zu beheben.

      Liebe Grüße
      Miriam

  2. guten Morgen Melanie
    unsere Katze bekommt seit 5 Jahren 2xtäglich 1/4 Teelöffel Kokosöl. Da sie seit längerer Zeit immer wieder das ganze Fressen kotzte – unverdaut! aber trotzdem ständig Heisshunger hatte, machte die Tierärztin einen Bluttest und stellte eine Schilddrüsenüberfunktion fest. Nun bekommt sie seit 2 Wochen 2x täglich 2.5Mikrogramm Carbamazepin, aber sie kotzt immer noch und ist mit 2.7kg und 14Jahren immer noch untergewichtig. Ich hab gelesen dass Kokosöl bei Menschen den Stoffwechsel anregt und lasse dies nun mal weg. Was meinst du dazu? Kann es sein, dass Kokosöl bei Katzen eine Schilddrüsenüberfunktion auslöst?

    • Hallo Jni!
      Meines Wissens nach sind die Ursachen für Schilddrüsenprobleme bei der Katze nicht abschließend erforscht. Es gibt da Vermutungen bezüglich Beschichtungen von Futterverpackungen, Umwelteinflüssen, Medikamenten und Vieles mehr. Ob deine Katze die Probleme wegen Kokosöl oder einem von zahlreichen anderen Faktoren hat, kann also Niemand genau sagen. Oft tritt die Krankheit bei alten Katzen auf – Alter scheint also auch ein Faktor zu sein, der da mit reinspielt.

      Generell ist aber Kokosöl für die Katze kein wirklich gutes Fett und wahrscheinlich in den großen Mengen, die du gibst, auch vermutlich nicht wirklich gesund. Katzen brauchen keine pflanzlichen Öle, die bringen ihr auch keine gesundheitlichen Vorteile oder irgendwelche Parasiten-Abwehr. Weder beim Menschen, noch bei Katzen regt es den Stoffwechsel an – das sind leider Märchen, die aus verschiedenen Gründen erzählt werden, die wir aber immer hinterfragen und genau recherchieren sollten. Es ist absolut sinnvoll, wenn du dich mit der Physiologie und der Ernährung der Katze auseinandersetzt, bevor du irgendetwas gibst. Denn ja, auch „natürliche Produkte“ können schlimme Nebenwirkungen haben. Von daher kann ich deine Entscheidung, das Kokosöl wegzulassen nur unterstützen – egal, ob es die Schilddrüsenproblematik bei deiner Katze ausgelöst hat oder nicht.

      Dass deine Katze untergewichtig ist, ist wieder ein anderes Problem. Tatsächlich kann das an der Schilddrüsenproblematik liegen, aber auch an zahlreichen anderen Faktoren. Zum Beispiel zu wenig tierisches Fett oder tierisches Protein in der Nahrung – leider ist das bei Futter für alte Katzen oft reduziert, weswegen viele alte Katzen klapperdürr werden.

      Ich heiße übrigens Miriam 😉

      Liebe Grüße
      Miriam

  3. Hallo.

    Bin immer noch unsicher wegen Kokos-Öl.

    Darf/ kann ich schon ganz wenig kokosöl an die katze eincremen also Kopf/Bauch und so aber ganz wenig.

    Ist das gut für die katze oder doch Gift für die seien?

    LG
    Melanie

    Ps: Sorry wegen satzbau.das ich schwerhörig bin.

    • Huhu Melanie!
      Im vorletzten Absatz gehts um das, weswegen du unsicher bist. „Gift“ ist Kokosöl keinesfalls 😉 Äußerlich angewendet in kleinen Mengen sollte es kein Problem darstellen, es ist halt nur fraglich, ob es wirkt.

      Liebe Grüße
      Miriam

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