Zahngesundheit ist bei der Katze ein wichtiges Thema: Zahnstein, Entzündungen und FORL machen vielen Stubentigern das Leben schwer. Viele Menschen wissen das mittlerweile, doch die entsprechenden Behandlungen sind teuer. Da kommt die Werbung für ein kleines Goodie das die Zahngesundheit der Katze verbessern soll, natürlich gerade recht. So wird nicht nur auf Social Media für zahlreiche Sprays, Leckerchen und Pulver geworben. Mit vollmundigen Versprechungen. Dass diese vollmundigen Versprechungen natürlich auch kritische Stimmen hervorrufen, ist nur logisch.
Tierarzt Dr. Rückert hat sich im Februar 2024 in einem Blogbericht mit dem Tierliebhaber Dentalspray der Firma Animagus GmbH auseinandergesetzt. Seine Kritikpunkte: die (mittlerweile öffentlich nicht mehr einsehbare) Werbung für das Tierliebhaber Dentalspray würde suggerieren, dass ein Eingriff an den Zähnen unter Narkose vermieden oder aufgeschoben werden könne. Aus seiner Sicht führe dies dazu, dass Schmerz und Leid bei Hund und Katze unnötig verlängert würden (= Tierquälerei).
Die Werbung sei in seinen Augen Kundenverarschung, irreführend, unethisch und tierschutzwidrig. Die Firma würde seiner Ansicht nach „gewissenlos“ und „dreist“ lügen.
Unterlassungserklärung gegen kritische Auseinandersetzung
Laut Aussage des Tierarztes hätte die Animagus GmbH daraufhin eine Unterlassungserklärung zustellen lassen, um gegen die Aussagen vorzugehen. Dr. Rückert unterzeichnete die Unterlassungserklärung nach eigener Angabe jedoch nicht. So landete der Streit vor dem Handelsgericht in Ulm.
In der Verhandlung – so kann man seinem Blogbeitrag zum Thema entnehmen – wurde Frau Smakman, die Geschäftsführerin der Firma Animagus GmbH durch das Gericht um Wirksamkeitsnachweise des betreffenden Tierliebhaber Dentalsprays gebeten. Diese konnte sie jedoch laut Dr. Rückert nicht vorlegen. Er berichtet weiter, dass das Gericht Frau Smakman daraufhin empfohlen hätte, den Antrag auf einstweilige Verfügung zurückzuziehen – denn die Richterin plane ohnehin, ihn abzulehnen. Diesem Rat seien Frau Smakman und ihrer Anwältin gefolgt.
Das bedeutet: Herr Rückert darf weiterhin behaupten, die Werbung für das Tierliebhaber Dentalspray sei irreführend und tierschutzrechtlich bedenklich – Er wählt in seinem Blogbeitrag die Worte „Kundenverarsche“, „Lüge“ und „tierschutzrechtlich relevante Sauerei“ – (Zitate aus dem Blogbeitrag „Firma Animagus („Tierliebhaber“) und ihr „Dentalspray“: Werbung führt in die Irre und zu Tierquälerei!“ abgerufen am 24.06.2024, 14:31 Uhr).
Alles nur Einschüchterungstaktik?
Im entsprechenden Blogbeitrag spricht Dr. Rückert noch einen weiteren interessanten Gedankengang an: Er habe den gesamten Vorgang der Unterlassungserklärung und des Vor-Gericht-Ziehens als eine mögliche Einschüchterungstaktik („SLAPP-Klage“) empfunden:
„Animagus hat in meinen Augen versucht, mir buchstäblich das Maul zu stopfen, obwohl der Firma klar sein musste, dass sie bezüglich Wirksamkeitsnachweisen für ihr Produkt vor Gericht völlig blank dastehen würde. Ich glaube, man hat halt gehofft oder darauf vertraut, dass mich das durch einen Prozess entstehende und beträchtliche Kostenrisiko dazu bringen würde, die anfängliche Unterlassungserklärung einfach hinzunehmen und zu unterschreiben.“
Sogenannte SLAPP-Klagen sollen unliebsame Äußerung der Gegenseite unterdrücken: aus Angst vor hohen Kosten und Gerichtsprozessen äußern sich viele Menschen lieber gar nicht mehr kritisch bzw. ziehen öffentliche Äußerungen zurück.
Denn Gerichtsprozesse – auch, wenn man sie gewinnt – können extrem teuer werden. Vor allem NGOs, Journalist*innen, kleinere Blogger*innen und Einzelpersonen können das nicht zahlen. Darum „gewinnt“ oft die Gegenseite und unterdrückt – legitime! – Meinungen. Einfach, weil sie mehr Geld hat und damit besser drohen kann – und nicht, weil sie Recht hat.
Amesty International hält solche SLAPP-Klagen für eine Bedrohung der Meinungsfreiheit – und die Europäische Union hat im März 2024 eine Richtlinie gegen SLAPP-Klagen beschlossen. Sie gilt jedoch noch nicht: Der deutsche Gesetzgeber hat noch mehr als zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht einzubetten.
Weiterhin Werbung für „gesunde Zähne“ – auch ohne Wirksamkeitsnachweis
Und die Animagus GmbH wirbt derzeit weiterhin für „gesunde Zähne“ durch das Tierliebhaber Dentalspray. In meinen Augen wäre der ehrlichere Werbespruch „optisch schönere Zähne“ – denn gesund werden Zähne nicht, nur weil kein Zahnbelag mehr da ist. Wobei es für die Entfernung des Zahnbelags durch das Tierliebhaber Dentalspray noch nicht einmal Nachweise gibt – wenn ich Dr. Rückerts Aussagen richtig verstanden habe.
Verhaltens- & Ernährungsberaterin für Katzen, Bloggerin
Miriam steht für die artgerechte Katzenhaltung. Mit ihrem Herzensprojekt katzen-fieber.de sensibilisiert sie seit über 13 Jahren für kätzische Bedürfnisse. Mit Online-Magazin, Vorträgen, Webinaren und Büchern vermittelt sie einfach verständliches Wissen. Individuelle Beratung rundet das Konzept ab. Für ein harmonisches Zusammenleben zwischen Mensch und Katze!