Die „etwas andere“ Geburtstagsfeier
Die Konferenz fand anlässlich des 50-jährigen Geburtstags von Royal Canin statt. Seit der Firmengründung 1968 durch den französischen Tierarzt Jean Cathary stellt das Unternehmen vielerlei unterschiedliche Ernährungskonzepte für Hunde und Katzen her. Außerdem hat es sich der Forschung und Weiterentwicklung in diesem Bereich verschrieben.
Die Zusammenarbeit mit Tierärzten, Züchtern, Universitäten und dem Zoohandel fällt ebenso in das Konzept von Royal Canin. So ist es nicht verwunderlich, dass knapp 200 Menschen aus 15 verschiedenen Ländern vor Ort an der Konferenz in Paris teilnahmen. Unter ihnen befanden sich Tierärzte, Journalisten, Mitarbeiter anderer Unternehmen, Partner verschiedener NGOs und – natürlich – auch Royal Canin Mitarbeiter.
Beeindruckende Location mit dem gewissen Etwas
Als Location diente das beeindruckende historische Gebäude des Gaîté Lyrique, einem Kunst- und Musikzentrum mitten in Paris. Insgesamt dauerte die Konferenz mit allem drum und dran 10 Stunden und nahm eine Vorbereitungszeit von – so hörte ich – etwa 7 Monaten in Anspruch. Dafür wurden den Teilnehmenden live vor Ort nicht nur 9 spannende Vorträge, sondern auch ein abwechslungsreiches Entertainment-Programm geboten.
Das Thema „Zusammenleben mit Tieren“ zog sich als roter Faden konsequent auch durch alle anderen aufgebauten Info- und Unterhaltungsangebote – ob Fotoausstellung, Virtual-Reality-Stände oder Wandbemalung. Ebenso waren mehrere riesige Wandtafeln aufgestellt, die die Meilensteine der 50-jährigen Geschichte von Royal Canin veranschaulichten.
Aus dem Vortragssaal in die Welt: Experten kommen zu Wort
Die – überwiegend englischen – Vorträge wurden in einem Stufenraum abgehalten, welcher sonst als Theater dient. Auf der riesigen Leinwand hinter der Bühne wurden Videos, Vortragsfolien und auch das Geschehen auf der Bühne – natürlich vergrößert – gezeigt. Apropos Geschehen: mir wurde erklärt, dass parallel ein Live-Stream gesendet wurde für alle Kollegen, Mitarbeiter und Partner, die selbst nicht persönlich anwesend sein konnten. Die Zeit, die wir Live-Teilnehmer in den Pausen verbrachten, wurden Interviews mit verschiedenen Ansprechpartnern gesendet.
Unter den 14 Vortragenden befanden sich unter Anderem (Verhaltens-)Forscher, Unternehmens- und Vereinsvorstände. Sie alle näherten sich dem Thema „Zukunft in der Haustierhaltung“ – mal wissenschaftlich strukturiert, mal unterhaltsam lehrreich – von verschiedenen Standpunkten aus. Die Frage, wie wir alle das Zusammenleben von Mensch und Tier in Gegenwart und Zukunft gestalten können, wurde sowohl auf technischer, als auch auf sozialer und ernährungsmedizinischer Ebene beleuchtet.
Den Anfang der Konferenz läutete Loic Moutault (CEO von Royal Canin) mit der Frage „How can we provide better pet care?“ („Wie können wir bessere Tierpflege gewährleisten?“) ein.
Umdenken in Raum- und Ressourcennutzung
Dass nicht nur Unternehmen und Verbraucher in Zukunft umdenken müssen, sondern auch Städteplaner, machte Gary Gaston – CEO der NGO Nashville Civic Design Center – zu Beginn des Tages klar. Denn nicht nur immer mehr Menschen, auch immer mehr Tiere werden in Zukunft in Innenstädten leben. So seien dort auch vermehrt ruhige Inseln zur Entschleunigung und für Freizeitaktivitäten – mit und ohne Hund – einzuplanen. Lücken in bereits bestehenden Infrasturkturen zu finden, diese zu nutzen und zukünftig bewusst einzuplanen sind nur Teilbereiche zur Verbesserung der Lebensqualität Aller. Auch das verstärkte Anbieten tierfreundlicher Reisemöglichkeiten (Taxen, Flughäfen usw.) seien Teil des Konzepts.
Dr. Koert van Mensvoort beschäftigte sich mit dem Thema „Future Food“. Er gab anschauliche und unterhaltsame Beispiele dafür, dass Biotechnologie nicht zwangsläufig schlecht sein muss, sondern – im Gegenteil – in Zukunft eine wichtige Rolle spielen könnte. Im Hinblick auf begrenzte Ressourcen, Umweltverschmutzung und weltweites Bevölkerungswachstum könne dies eine von vielen Möglichkeiten sein, die Zukunft zu gestalten.
Joeri van den Bergh befasste sich mit den – gegenwärtigen und zukünftigen – gesellschaftlichen Veränderungen und ihren Auswirkungen auf das Zusammenleben mit Haustieren. Verändertes Konsum- und Medienverhalten, wachsendes Anspruchsdenken und andere Lebensplanungsmodelle brächten auch im Umgang mit Haustieren neue Herausforderungen mit sich. So seien damit Chancen (bspw. neue Absatzmärkte und Produkte) als auch Probleme (z. B. abnehmende Authentizität von Unternehmen durch schneller verbreitete Fake-News) verbunden.
Haustiere als Familienmitglieder und Hilfsmittel
Die beiden Verhaltensforscherinnen Alexandra Horowitz und Sara Heath brachten dem Publikum die Sicht von Hunden und Katzen auf ihre Umgebung näher. Denn nur wer versteht, wie Hund und Katz die Welt sehen, kann sie auch entsprechend für sie gestalten. Dieses Wissen sei auch zukünftig wichtig, damit es nicht zu Verhaltensproblemen oder Missverständnissen kommt.
Dr. Megan Mueller, Peter Gorbing, Michel Rosseti und Alexandra Horowitz widmeten sich eingehender dem Thema „the benefits of living with pets“ (übersetzt: „Die Vorteile im Zusammenleben mit Haustieren“). Haustiere seien heute nicht nur als geliebte Familienmitglieder, sondern immer mehr auch als wichtige gesundheitliche, seelische und soziale Stütze anerkannt. Die Wissenschaft beschäftige sich seit längerem mit den Auswirkungen der Haustierhaltung auf verschiedene Aspekte im Zusammenleben mit dem Menschen. In der Zukunft soll diese Forschung weiter ausgebaut und praktisch angewendet werden.
Peter Gorbing – Geschäftsführer des Vereins „Dogs for good“ – erklärte mehr zum Konzept der Assistenz- und Therapiehunde. Auch, wenn sich bereits jetzt klar zeige, dass diese Hunde als Motivator, Lehrer und Bindebrücke zu anderen Menschen fungieren können, so sei dennoch zukünftig ausführlichere Forschung zum Thema nötig. Michel Rosseti brachte die Sicht eines Betroffenen nahe: als blinder Mensch, der bereits Jahrzehnte mit verschiedenen Blindenhunden an seiner Seite gelebt hat, machte er klar, welche Vorteile, aber auch Herausforderungen der Alltag mit sich bringt. Blindenhund „Ghost“ räkelte sich währenddessen entspannt zu Herrchens Füßen und geleitete Herrn Rosseti souverän schwanzwedelnd auf und von der Bühne.
Auch in Zukunft wichtige Themen: Gesundheit und Ernährung
Das Thema Übergewicht nimmt bereits jetzt bei Mensch und Tier einen großen Stellenwert ein. Die Vortragenden Ted Kyle und Alex German beleuchteten Ursachen, Folgeschäden und Vorurteile. Es sei wichtig, Übergewicht in Zukunft als ernsthafte, chronische Erkrankung wahrzunehmen. Stigmatisierung der Halter betroffener Tiere könne Prävention und Therapie erschweren. Wichtig sei ein Umdenken, um zukünftig besser helfen und unterstützen zu können.
Auch das Thema Ernährung wurde an diesem Tag in zwei Vorträgen behandelt. Nachdem Dr. Cecilia Villaverde über Domestikation und natürliche Ernährungsweise von Hunden und Katzen sprach, folgte später am Tag ein Vortrag von Dr. Lana Zivanovic, in dem sie über die Forschung nach alternativen Proteinquellen informierte. Sie erklärte, welche wichtigen Grundlagen zu dieser Forschung gehörten, ebenso wie auch mögliche Vorgehensweisen. Es sei hierbei wichtig, sowohl ernährungsphysiologische, als auch emotionale und soziale Aspekte zu bedenken.
Die Zukunft ist vernetzt
Natürlich wurden auch technische Zukunftsideen angesprochen. Kevin Lloyd – Mitbegründer der Technikmarke „Whistle“ – stellte dem Publikum das „pet insight project“ vor. Für die im April 2018 gestartete Aktion arbeiten Whistle, die Banfield Hospitals und Mars zusammen. So sollen neue Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Gesundheit, Wohlbefinden und Verhalten erlangt werden können. Ziel sei es, in Zukunft eine bessere Gesundheitsprävention und -therapie, sowie ein besseres Zusammenarbeiten zwischen Patientenhalter und Tierarzt zu ermöglichen. Dazu werden hunderttausende Gesundheitsdaten und Verhaltensvideos gesammelt und anschließend auf mögliche Schnittmengen hin analysiert.
Auch Gregory Santaner beschäftigte sich auf der Bühne mit der Zukunft der Gesundheitsversorgung/-vorsorge. Er beleuchtete, welche Veränderungen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft die Gesundheit unserer Haustiere beeinflussen. Er zeichnete mögliche Wege von der reaktiven Medizin hin zur proaktiven Medizin (nicht nur heilen, vor allem vorbeugen) für die Zukunft vor.
Viele Puzzleteile ergeben ein Gesamtbild
Klar scheint also, dass vor allem Zusammenarbeit, technischer Fortschritt und besseres Verständnis der Bedürfnisse unserer Haustiere wichtige Teilaspekte für zukünftige Verbesserungen sein werden. Uns als Tierhalter erwarten sicherlich viele neue (verbesserte) Produkte und interessante Ergebnisse aus der Forschung. Diese werden meiner Meinung nach nicht nur schleichend in unseren Alltag einziehen, sondern auch noch für aufsehenerregende Aha-Momente sorgen. Für mich war an diesem Tag nicht nur die Location beeindruckend, sondern vor allem die große Menge an gesammelten Ideen.
Vernetzung und Ideenaustausch sind und bleiben grundlegend wichtige Punkte. Unser Alltag wird sich zukünftig verändern, sowohl für uns als auch für Miezi und Bello: bessere Gesundheitsvorsorge, mehr Wohlbefinden und mehr Verständnis für Umwelt und die Bedürfnisse Aller scheinen das Ziel zu sein – oder um es mit den Worten von Loic Moutault (CEO von Royal Canin) zu sagen „A future that respects the needs of humans and animals“ („Eine Zukunft, die die Bedürfnisse von Mensch und Tier respektiert“).
Wie stellt ihr euch die Zukunft mit euren Haustieren vor? Was wünscht ihr euch? Gibt es Dinge, die ihr gern – nicht nur um Kleinen für euch, sondern im großen, gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang – ändern würdet?
Verhaltens- & Ernährungsberaterin für Katzen, Bloggerin
Miriam steht für die artgerechte Katzenhaltung. Mit ihrem Herzensprojekt katzen-fieber.de sensibilisiert sie seit über 13 Jahren für kätzische Bedürfnisse. Mit Online-Magazin, Vorträgen, Webinaren und Büchern vermittelt sie einfach verständliches Wissen. Individuelle Beratung rundet das Konzept ab. Für ein harmonisches Zusammenleben zwischen Mensch und Katze!
Hallo Miriam,
ein wirklich sehr interessanter Beitrag. Vielen Dank, dass du uns daran teilhaben lässt. 🙂
Ich war, und bin eigentlich immer noch, skeptisch, wenn die Marke ‚Royal Canin‘ genannt wird. Trotzdem ist mein Eindruck, als wenn man ernsthaft daran interessiert zu sein scheint, zum Wohle des Tieres zu handeln und sich offen und bemüht der Zukunft widmet. Ein Funke Restskepsis bleibt.
Zu den „alternativen Proteinquellen“ hätte ich gerne mehr gewusst. Welche Alternative hat ein Carnivore? War (Fertig-)Barf ein Thema?
Auch die „proaktive Medizin“ finde ich sehr spannend. Wahrscheinlich versteht ein Tierarzt darunter etwas anderes als der „Otto-Normal-Tierhalter“, oder? Gab es hierzu auch Gäste, die sich in der Naturmedizin auskennen? Oder hatte man das eher aus der schulmedizinischen Sicht betrachtet?
Kann man die VR-Version, in der man die Welt mit Katzenaugen sieht, irgendwo kaufen? Ich krieche zwar auch hin und wieder auf dem Boden herum, um Möbel „sprunggerecht“ aufzustellen und deren Entfernung aus Katzensicht abzuwägen, aber ich stelle mir das auch ganz interessant mit der VR-Brille vor. Ist bestimmt auch knieschonender. 😀
Was ich mir für die Haustier-Zukunft wünschen würde? Bei dieser Frage musste ich etwas seufzen. Mehr Ehrlichkeit bei den Menschen. Kein illegaler Tierhandel mehr, kein Ich-bastel-mir-ein-Tier-nach-meinen-Vorstellungen mehr.
Ein Eignungspass für Menschen, die mit einem Tier zusammenleben möchten.
Aber ein etwas realistischer Wunsch wäre vllt., dass jeder, der nicht genügend finanzielle Mittel aufbringen kann, um ein Tier vollumfänglich zu versorgen (auch medizinisch) zu einer entsprechenden Versicherung verpflichtet wird.
Außerdem muss die allgemeine Verantwortung gegenüber herrenlosen Streunern steigen. Tierauffangstellen und auch Tierheime sollten, meiner Meinung nach, viel besser unterstützt werden (auch und vorallem seitens der Kommunen / Städte).
Es gibt noch viel zu tun und ich bin sehr gespannt und neugierig, was die Experten alles bereit halten. 🙂
Liebe Grüße
Chris
Huhu Chris!
Danke für deine interessanten Fragen. Skepsis ist denke ich bei jedem Thema angebracht – so lange es bei Skepsis bleibt und nicht zu absoluter Ablehnung kommt, kann man so von verschiedenen Sichtweisen nur lernen 😉
Bei den alternativen Proteinquellen ging es vor allem darum, wie – ich nenne es mal – „tierisches Material“ „produziert“ werden kann, ohne ausufernde Massentierhaltung. Zum Beispiel durch Biotechnik: Zellen im Labor vermehren, „Ursprungstier“ am Leben lassen. Verdammt interessant, vor allem auch, weil ein wenig dazu erklärt wurde, wie hier Sicherheits- und Qualitätsmaßnahmen gestaltet werden können/müssen.
Bei der proaktiven Medizin ging es nicht um spezielle Therapien/Behandlungen, sondern vielmehr um das Drumherum: wie kann sichergestellt werden, dass Vorsorge sinnvoll ist, der Zeitpunkt für den Tierarztbesuch besser ermittelt werden kann, wie Symptome und Verlauf zielgerichteter kommuniziert und festgehalten werden können – so, dass der Halter nichts wichtiges zu erzählen vergisst, der Doc sich einen objektiveren Eindruck über Symptome/Ausprägung machen kann etc.
Dementsprechend wurde hier auch nicht in „Schulmedizin“ vs. „Naturmedizin“ unterschieden.
Ob man das VR-Modul bzw. die entsprechende Software irgendwo erwerben kann, das weiss ich leider nicht. Spannend wäre es alle Male 😀
Deine Wünsche für die Zukunft finde ich tolle Gedankenansätze. Das mit der Ehrlichkeit ist son Ding. Ich weiss leider genau, was du meinst .. und ich fürchte, ich muss da genau so seufzen. Schade eigentlich.
Mehr Tierschutz, mehr Verantwortung schon allein fürs eigene Tier übernehmen sind auch meiner Meinung nach ungeheuer wichtig. Wenn jeder nur ein klein wenig vor seiner eigenen Türe kehren würde, wäre schon vielen Tieren geholfen 🙁
Wir können nur hoffen, dass das Umdenken Stück für Stück ein wenig mehr um sich greift.
Liebe Grüße
Miriam